Meine ErFAHRungen mit der 'neuen' Africa Twin (SD04 DCT, Modelljahr 2016)

DCT - Funktionsweise und Vor- und Nachteile

Das DCT (Dual Clutch Transmission - Doppelkupplungsgetriebe) ist ein automatisiertes Schaltgetriebe, nicht zu verwechseln mit einem Automatikgetriebe, wie es bei Rollern üblich ist. Es hat 6 Gänge wie ein manuelles Schaltgetriebe, aber zwei Kupplungen statt einer, eine für die geraden und eine für die ungeraden Gänge. Bevor beim Gangwechsel die aktuelle Kupplung öffnet, schließt die andere bereits, so dass Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung umgesetzt werden. Es ist trotzdem im Gegensatz zu einer Automatik ein GangWECHSEL.
Der Gangwechsel wird entweder automatisiert durchgeführt, abhängig von Drehzahl und Gasgriffbetätigung (starkes Beschleunigen führt zu längerem Ausfahren des aktuellen Ganges bzw. schnellem Herunterschalten) oder kann manuell ausgelöst werden durch Schaltwippen oder einen optionalen Fußschalthebel. In allen Fällen wird kein Kupplungshebel betätigt, obwohl die Kupplung natürlich trotzdem durch einen Elektromotor getrennt wird (anders als bei einer Automatik). Im Stand wird die Kupplung immer getrennt (wiederum anders als bei einer Automatik), wahlweise auch dauerhaft durch Betätigung eines Schalters.
Während bei PKW Doppelkupplungsgetriebe von zahlreichen Herstellern angeboten werden (im Premiumsegment häufig serienmäßig), ist Honda im Motorradbau der bislang einzige Hersteller mit einem solchen System und hat damit ein Alleinstellungsmerkmal.

Funktionsweise:
Nach dem Starten des Motors betätigt man den DCT-Schalter am rechten Lenker und der erste Gang wird eingelegt. Die Kupplung bleibt bei Leerlaufdrehzahl zunächst getrennt und schließt erst beim Betätigen des Gasgriffs.
Das DCT bietet fünf verschiedene Modi, wählbar am rechten Lenker: Im Modus D (Drive) erfolgen die Gangwechsel so, dass die Drehzahl möglichst niedrig gehalten wird, im Modus S1 (Sport1) arbeitet der Motor mit höheren Drehzahlen, Hochschalten erfolgt also später, Herunterschalten früher als im D-Modus. In den Modi S2 und S3 sind die Drehzahlen jeweils noch höher. Im fünften Modus M (Manuell) schaltet der Fahrer selbst über zwei Schaltwippen am linken Lenker und entscheidet damit selbst über den Schaltzeitpunkt. Auch in den automatisierten Modi D und S1-S3 kann der Fahrer jederzeit selbst herauf- oder herunterschalten, um z.B. ein Überholmanöver einzuleiten, die Motorbremswirkung zu nutzen oder nach einer Beschleunigung die Drehzahl zu senken. Umgekehrt schaltet auch im manuellen Modus das DCT selbsttätig, wenn der Motor überdrehen oder absterben würde, hier ist der Eingriff nicht vermeidbar.

Nach der Aktivierung des DCT am rechten Schalter ist zunächst immer der D-Modus aktiv. Mit erneuter Betätigung des Schalters befindet man sich im zuletzt gewählten S-Modus. Durch ca. 2-sekündiges Drücken des Schalters bei geschlossenem Gasgriff wird der nächste S-Modus eingelegt (S1 - S2 - S3 - S1...), durch kurzes Drücken auch bei geöffnetem Gasgriff gelangt man hingegen wieder zurück in D. Für den manuellen Modus gibt es einen separaten Schalter.

Die Schaltwippe zum Wählen zwischen D, S und N sowie rechts unten der Schalter für den manuellen Modus (R/M)


Im Stand wird die Kupplung automatisch getrennt. Dreht man am Gasgriff, schließt sie sofort und das Motorrad setzt sich in Bewegung. Über den Schalter am rechten Lenker kann das Getriebe dauerhaft in den Leerlauf geschaltet werden (N - neutral), was allerdings nur bei Stillstand möglich ist. Beim Ausschalten des Motors wird ebenfalls immer der Leerlauf eingelegt. Daher kann das Motorrad nicht durch Einlegen eines Ganges gegen Wegrollen gesichert werden. Hierfür gibt es am Hinterrad extra eine Feststellbremse, die durch einen Hebel am linken Lenker betätigt wird - dort, wo sonst der Kupplungshebel sitzt. Damit man während der Fahrt die Feststellbremse nicht versehentlich betätigt, weil man gewohnheitsmäßig die Kupplung ziehen möchte, ist der Hebel mit den Fingern nicht zu erreichen, wenn man die Hand normal am linken Griff hat. Der gezogene Hebel der Feststellbremse lässt sich arretieren, so dass das Hinterrad nicht bewegt werden kann.


Unterhalb des Blinkers befindet sich die Schaltwippe zum Herunterschalten.
Vor dem Handprotektor ist der Hebel für die Feststellbremse zu sehen.

Die linke Lenkerseite von vorn mit der Schaltwippe zum Hochschalten mit dem Zeigefinger
 
Auf der rechten Seite des Motorblocks befinden sich die beiden Kupplungen. Daher baut ein Motor mit DCT etwas breiter als mit einem herkömmlichen Schaltgetriebe. Auf der linken Seite in einem horizontalen Zylinder befindet sich ein elektrischer Stellmotor, der das Getriebe schaltet.

Motor mit DCT, rechte Seite: Der messingfarbene Zylinder mit den drei Schrauben verrät das DCT
linke Seite: Im schwarzen Zylinder unterhalb der Werkzeugbox befindet sich der Stellmotor
Seit 2020 zeigt auch ein Schriftzug das DCT

Vorteile:
- Es gibt keine Zugkraftunterbrechung und daher absolut ruckfreie Gangwechsel, kein "Headbangen" mit Sozia, Schalten in Kurven ist problemlos möglich.
- Es ist kein Abwürgen des Motors möglich, z.B. bei langsamer Fahrt, beim Rangieren, im Gelände.
- Es ist kein Überdrehen des Motors möglich.
- Der Fahrer kann entweder selbst schalten oder dies dem DCT überlassen, um sich auf die Verkehrssituation oder besondere Herausforderungen zu konzentrieren, trotzdem kann er jederzeit eingreifen oder sogar die automatisierte Schaltung ganz deaktivieren (Überdrehen und Abwürgen wird trotzdem verhindert, s.o.).
- Bei Stop and Go ermüdet die linke Hand nicht und man muss sich nicht ständig Gedanken über die richtige Gangwahl machen, gerade wenn die Geschwindigkeit im Bereich zwischen dem ersten und zweiten Gang liegt.
- Das Schalten über Wippen ist bequemer als mit Hand und Fuß.

Nachteile:
- Es ist keine unmittelbare Unterbrechung des Antriebs möglich, also kein Dahinrollen, bei einer Notbremsung muss der Gasgriff geschlossen werden, dann aber besteht durch die Motorbremse eine effektivere Bremswirkung als beim Auskuppeln.
- Es ist kein Fahren mit schleifender Kupplung möglich, stattdessen muss die Fußbremse zur feineren Dosierung der Geschwindigkeit genutzt werden. Dadurch wird Rangieren anspruchsvoller, da die Füße nicht am Boden sind. Mit etwas Übung ist dies aber kein Problem.
- Das Fahrzeug hat ein höheres Gewicht (+10 kg).
- Das Fahrzeug hat einen höheren Preis.
- Zusätzliche technische und elektronische Komponenten ergeben ein zusätzliches Fehlerpotential, oder: 'Was nicht dran ist, kann auch nicht kaputt gehen'. (siehe hierzu auch Qualität/Defekte)

Auf der Straße bietet das DCT aus meiner Sicht eigentlich nur Vorteile: Man kann komfortabler Fahren, weil man nicht schalten muss, aber jederzeit eingreifen kann, wenn man will. Das häufige Argument gegen ein DCT, "Ich entscheide selbst, wann ich schalte!", ist somit hinfällig, da das DCT diese Entscheidung ebenfalls erlaubt. Der Schaltvorgang ist nur anders (zwei Finger statt Fuß + Hand) und kann jederzeit einfach dem DCT überlassen werden. Das DCT ist damit auch komfortabler als ein Schaltassistent, der zwar auch die Betätigung der Kupplung erspart, dies allerdings nur, während man in Fahrt ist. Beim Anfahren bzw. Anhalten muss man die Kupplung selbst betätigen und bei niedrigen Geschwindigkeiten funktionieren Schaltassistenten oft nur unzureichend.
Das Mehrgewicht des DCT spielt auf der Straße eigentlich keine Rolle.
Im Gelände ist dies anders, aber angesichts des sowieso recht hohen Gewichtes ist die AT im Gelände sicher nicht die erste Wahl, obschon sie viel geeigneter ist, als man angesichts der Größe und des Gewichts vermuten könnte. Für geübte Fahrer bzw. in anspruchsvollem Gelände ist die Dosierung der Geschwindigkeit über die Kupplung häufig von großem Vorteil, wohingegen für ungeübte Fahrer (respektive bei Fahrten in leichtem Gelände) das DCT Vorteile hat, da man sich auf die Strecke konzentrieren kann und (wichtig im Stehen) nicht mit dem Fuß schalten muss. Außerdem muss man nicht auf die Gangwahl achten und kann den Motor nicht abwürgen.
Das DCT hat einen Sensor, der den Motor nach einem Sturz abschaltet. Darüber hinaus gibt es im Cockpit einen Schalter (neben dem ABS-Schalter) für einen besonderen Gravel-Modus, der die Schaltvorgänge bei Steigungen und steilen Abfahrten anpasst.

Ganz rechts im Cockpit befindet sich der Schalter für den G-Modus


Welcher Modus für welche Verkehrssituation?
Ich nutze den D-Modus fast gar nicht, da der Motor dann bei niedrigen Geschwindigkeiten sehr untertourig läuft und anfängt, leicht zu ruckeln. Wenn überhaupt, nutze ich D nur zu Beginn einer Fahrt, bis der Motor warm ist.
S1 ist bei mir der Standard-Modus für Ortschaften und Straßen mit wenig Kurven. S2 nutze ich bei kurviger Strecke, S3 bei sehr kurviger Strecke. Je kurviger, desto höher halte ich also das Drehzahlniveau, da das Motorrad bei hoher Drehzahl feiner auf Gasgriffbefehle reagiert und weitestgehend auf die Bremse verzichtet werden kann (Motorbremswirkung, Aufstellmoment beim Bremsen in der Kurve).
Nachdem ich den manuellen Modus die ersten Jahre nie genutzt habe, aktiviere ich ihn inzwischen auf Passstraßen mit vielen Serpentinen, um noch mehr Kontrolle über die Drehzahl zu erhalten. Werden die Kurven wieder etwas weniger eng, schalte ich mit dem rechten Daumen wieder zurück in den automatischen Modus.


Besonderheiten:
Wenn man stark beschleunigt, also den Gasgriff schnell sehr weit aufreißt, schaltet das DCT direkt zwei bis drei Gänge herunter, um maximale Beschleunigung zu ermöglichen.
Beschleunigt man, z.B. nach einer Ortschaft, zügig, fährt das DCT die Gänge länger aus als bei gemächlichem Beschleunigen, wo es schneller hochschaltet (jeweils innerhalb desselben Modus', aber in verschiedenen Modi trotzdem unterschiedlich).
Schaltet man im S-Modus nach starker Beschleunigung selbst einen Gang höher, schaltet das DCT sofort weiter hoch, statt die Gänge weiter auszufahren.

Auf kurvigen Strecken habe ich im S3-Modus immer den Daumen über der Schaltwippe, um schnell herunterschalten zu können, wenn die nächste Kurve kommt oder wenn bei langgezogenen Kurven oder in gleichmäßigen Wechselkurven das DCT hochschaltet, weil längere Zeit keine Änderung der Geschwindigkeit erfolgt ist. Enge Kurven fahre ich immer im 2. Gang, etwas weitere im 3. und Spitzkehren im 1. Gang.

Nachtrag: Seit 2020 besitzt die AT eine sechsachsige IMU (Inertial Measurement Unit), die die Lage des Fahrzeugs misst: Schräglage, Steigung, Gefälle und im Zusammenspiel mit den Radsensoren, ob ein Rad abhebt. Neben einer Wheelie- und Stoppie-Kontrolle kann auch die Steuereinheit des DCT auf diese Daten reagieren: In Kurven und bei Steigungen/Gefällen passt das DCT seine Schaltvorgänge nun an, hält also den Gang, statt hochzuschalten, wie es das bei konsanter Gasgriffstellung auf gerader Strecke tun würde. Natürlich kann das DCT damit immer noch nicht voraussehen, wann eine Kurve kommt, hier muss der Fahrer selbst eingreifen, wenn er einen niedrigeren Gang möchte.

Fehlerbehebung:
Manchmal gibt es Probleme mit der Software, die das DCT steuert (wie es bei jeder Software bisweilen auftritt). Dies äußert sich i.d.R. dadurch, dass das DCT ungewöhnlich schaltet. In diesem Fall sollte man das DCT zurücksetzen, also sozusagen in den Werksmodus setzen. Hierzu sind folgende Schritte durchzuführen:
  • Motor auf Betriebstemperatur bringen (der Motor muss während der gesamten Prozedur auf Betriebstemperatur bleiben!)
  • Zündung ausschalten
  • D-Schalter gedrückt halten, Zündung einschalten und D-Schalter weiter gedrückt halten, im Display erscheint die Anzeige MIL
  • sobald die Anzeige MIL erlischt, D-Schalter loslassen
  • D-Schalter kurz drücken
  • D-Schalter kurz drücken
  • N-Schalter kurz drücken
  • D-Schalter kurz drücken
  • N-Schalter kurz drücken
  • die Anzeigen D und S leuchten, - blinkt langsam (schnelles Blinken = Fehler, dann Prozedur wiederholen)
  • Motor starten und im Leerlauf lassen, bis die Anzeigen -, D und S erlöschen
  • Zündung ausschalten
Auch wenn die Leerlauf-Drehzahl zu hoch ist, kann sich das auf das DCT auswirken. Entweder schiebt der Motor leicht im Stand, weil die Kupplung ja bei Betätigen des Gasgriffs schließt (die erhöhte Leerlauf-Drehzahl wirkt dann wie Gas geben!), oder es kann kein Gang eingelegt werden, also nicht von N auf D geschaltet werden. In diesem Fall kann man die Leerlauf-Drehzahl folgendermaßen zurücksetzen:
  • der Motor muss kalt sein
  • Zündung einschalten
  • Motor starten und ohne weitere Betätigungen (kein Gas geben, nicht versuchen, D einzulegen!) laufen lassen, bis die Lüfter des Kühlsystems anspringen (dies dauert je nach Außentemperatur unterschiedlich lange, im Schnitt etwa 15 min).
  • Zündung ausschalten

Mein Fazit:
Ich mochte das DCT von Anfang an und möchte (nach derzeit 50.000 58.000 km) auf keinen Fall mehr darauf verzichten, trotz der technischen Probleme, die ich zeitweise damit hatte.

3 Kommentare:

  1. Du hast Vor und Nachteile sehr gut beschrieben. Ich bin bei 25.000 km und mit dem DCT auch sehr zufrieden. Allerdings ist mir der Motor bisher einmal beim Anfahren abgestorben. Keine Ahnung warum. Der Händler sagte, ihm sei das bisher auch zweimal passiert. Mir ist aufgefallen, dass die Feststellbremse recht oft nachgestellt werden muss, damit sie ihre Wirkung behält. Größter Nachteil des DCT ist aus meiner Sicht -neben dem Mehrpreis- ganz klar das Gewicht. Die Funktionsweise macht das allerdings wieder wett.
    Das merkt man beispielsweise, wenn man im S3 Modus mal aus dem Stand von 0-100 km/h gegen wesentlich stärkere Bikes antritt. :-)
    Insgesamt ist aber das DCT für mich auf einer langen Tour extrem entspannend zu fahren.

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  2. So sehe ich es auch, der Mehrwert rechtfertigt den höheren Preis und das Mehrgewicht absolut!

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  3. das dct ist das Killerargument FÜR die AT oder ATAS. Ich kaufe mir bald einen, da meine Weißwurstharley heute nach Salzburg geht. :D

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